Als meine Eltern 1955 in das grüne Haus zogen, weil mein Vater als Regierungsrat von Braunschweig nach Hildesheim versetzt wurde, und wir in der 2. Etage gleich über der Bock wohnten, verlief unsere Beziehung zu ihr nach dem gleichen Muster wie im Falle der von und zur Mühlen: Meine Mutter wurde zum Kaffee eingeladen („Wir sind doch Damen!“), und während sie ihre Lebensgeschichte erzählte, lernte ich auf dem Teppich liegend Wilhelm Busch in einem dicken Band kennen. Auf diese Weise erfuhr die Bock, wie meine Mutter einen Befehl zum Dienstantritt in Theresienstadt bekommen hatte. Meine Eltern lebten damals frisch verheiratet in Beraun in der Tschechei. Mein Vater war Anfang 1943 in seinem Funkwagen auf ein russisches MG-Nest zugefahren und hatte das schwer verwundet knapp überlebt. Deshalb leitete er nun als Leutnant der Fernmelde-Abteilung in Beraun die Rekruten-Ausbildung. Eines Tages bekam meine Mutter einen Dienstpflicht-Bescheid, sich in Theresienstadt zu melden. Daß sie anscheinend im dortigen KZ als Sekretärin vorgesehen war, erkannte sie erst nach dem Krieg. Ebenfalls ahnungslos machte mein Vater seinen Einfluß geltend, daß das gerade im Mai 1943 getraute Paar nicht getrennt werden könne (Die Abkommandierung an die Westfront stand kurz bevor, und sie konnten erst im Juni 1947 wieder zusammenleben, nachdem mein Vater aus französischer Kriegs-Gefangenschaft entlassen wurde.). Dabei blieb es dann.
Die Beziehung zu der Bock verschlechterte sich in dem Maße, wie meine Mutter sich zurückzog und Beziehungen zu deren „Feinden“ herstellte. Ebenso wie im Falle der Wohnungs-Nachfolger der von und zur Mühlen, einem Amtsgerichtsrat nebst Gemahlin, brach zuerst verdeckt, doch dann offene Feindschaft aus. Man grüßte sich zwar noch im Treppenhaus, verkehrte aber schließlich nicht mehr miteinander. Dabei blieb es jedoch nicht.
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