Was ist gute Kunst?

James-Rosenquist

Für mich ist das keine relevante Fragestellung, doch schwierich zu beantworten. 1991 wußte Galerist Rudolf Wiese darauf eine klare Antwort:

… Wenn es um Kunst geht, ersetzen die eigenen Erinnerungen und Wünsche den klaren Blick für das Gute und Richtige. Aus diesem Dilemma befreit sich der Mensch mit Sätzen wie ‚Kunst kommt von Können‘ oder ‚Alles, was Künstler machen, ist Kunst‘ oder ‚Jeder hat ein anderes Verständnis von Kunst‘, wobei sie die Begriffe Gunst und Kunst verwechseln.
… Und dennoch gibt es einen Konsens unter vielen. Man einigt sich darauf, daß Bilder nicht lügen dürfen, nicht zu privat und echt sein müssen, in dem, was sie sagen, den Geist ihrer Zeit zeigen und konservieren müssen. In einem Satz: Bilder müssen Sehen machen.
Einer malt im Jahre 1990 wie Caspar David Friedrich, wie Kirchner oder wie Botticelli. Das wäre epigonaler Fleiß und mehr nicht. Alle drei genannten Namen stehen für gute Kunst und viele ihrer Zeitgenossen nicht. Woran liegt das? Daran, daß die Bilder dem heutigen Betrachter noch viel sagen. Sie sind noch nicht visuell abgenutzt wie ein alter Teppich, der lange Jahre getreten wurde, weil sie wahr sind, Wirklichkeit des Sehens, Fühlens, Denkens abbilden und kein geistiges Falschgeld unter die Leute bringen."

Rudolf iss hier großzügig mit Definitionen und Beispielen. Die Landschaften C.D. Friedrichs „nicht visuell abgenutzt"? Botticellis Allegorien „wahr"? Warum sollen Bilder nich „privat" sein. Viele sind es und nich die schlechtesten. Zeigte Kirchner den Geist der Zeit oder nur seinen von Morphium umnebelten eigenen? Warum sah jener Zeitgeist bei Dix und Grosz ganz anders aus? Anscheinend hat Rudolf sehr private Bilder im Kopf. Deshalb kann er auch die Frage eindeutig beantworten: Wo läßt sich gute zeitgenössische Kunst finden?
Aus der Vielzahl der guten zeitgenössischen Künstler seien nur zwei beispielhaft hervorgehoben: Valerio Adami und Willibrord Haas."
WER?
Adami, dieser poppige Surrealismus-Epigone, den man bei „Schöner Wohnen" passend zum Sofa bestellen konnte? Und Haas? Wer iss Haas?
Und wo finden wir diese guten Künstler?
Na, Rudolf bot sie in seiner Galerie zum Kauf, die leider – genauso wie andere vorher – in seiner überwiegend dumpfigen Kreisstadt bald einging.
Sowas, Rudolf, nennen wir in Indonesien „kolusi" (verdeckte Verflechtung; von lat. collusio = geheimes Einverständnis), nur läuft das hier nich so elegant.
Tom Wolfe schrieb 1975 in „Worte in Farbe": „… wenn es also möglich wäre, ein solches Diagramm der Kunstwelt anzufertigen, würden wir sehen, daß sie (abgesehen von den Künstlern) aus ungefähr 750 Kulturbeflissenen in Rom, 300 in Mailand, 1750 in Paris, 1250 in London, 2000 in Berlin, München und Düsseldorf, 3000 in New York und, über die restliche bekannte Welt verstreut, vielleicht noch einmal 1000 weiteren besteht. Das ist die Welt der Kunst; sie zählt etwa 10000 Seelen – das reinste Dorf -, die sich auf les beaux mondes von acht Städten beschränken."
Diese Cliquen machen unter sich aus, was „in" iss. Wird das „Zeitgenössische" lang genug publiziert, verfestigt es sich, und die Sammler werden aufmerksam. Dabei isses ganich nötich, daß sich eine Richtung in der Breite durchsetzt, denn die Masse kauft ja nich. Entscheidend iss, wie einige wenige Sammler und Museumsleiter reagieren. Etwas Bösartige haben mal die schwulen Verflechtungen zwischen den wichtigsten Galeristen und den bedeutendsten Pop-Künstlern untersucht, aber ich finde, das iss einfach kein Maßstab. „Die Leute, die kaufen, sind ja so dumm, solche Hammel." (Paul Gauguin, 1898).

Rudolf, ich zeige Dir hier mal richtich gute Kunst, die zwar in der Art der Darstellung zeitgenössisch ist, jedoch kaum im Dargestellten: James Rosenquist (*1933), „I love you with my Ford", 1961, Öl auf Lwd, 210 x 237cm
Und warum iss das gute Kunst? Weil ich Spaghetti in Tomaten-Soße mag! Zum Reingabeln. Und das Auto iss auch geil.

10 Gedanken zu „Was ist gute Kunst?

  1. Ist es wirklich sinnvoll nach ‚guter Kunst‘ oder ihrem Gegenteil, schlechter Kunst, zu unterscheiden? Wenn es Kunst ist, verbieten sich derartige Attribute: Kunst ist Kunst. Lediglich wenn das Kunstobjekt zu einem Prestige- oder, schlimmer noch, Anlageobjekt wird, drängen sich Bewertungen auf, die aus den mehr oder weniger hoch gesteckten Erwartungen erwachsen…

  2. Man kann durchaus bewerten und Urteile fällen, nur sollte man seinen Maßstab offenlegen und sich über die Bedingtheit des eigenen Urteils klarsein.

  3. Und wie, bitte, sollte man wohl seinen Maßstab offenlegen, offenlegen können? Diese Matrix aus Wissen, Gewißheiten, Vorurteilen, Gefühlen, Assoziationen, Launen, Empfindungen …, die zudem auch noch eine (fraktale(!)) Zeitdimension hat.

  4. Das ist das Minimum, was ich von Kunstkritik erwarte und nicht schwer. Kunst entsteht ja nicht im luftleeren Raum, und ich kann immer deutlich machen, was mir einerseits persönlich wichtig ist und andererseits im kunsthistorischen Bezug einen Wert hat. Der Standardfehler besteht aber darin, daß eben nicht zwischen subjektiven Assoziationen und Vorurteilen und dem, was das Kunstwerk objektiv leistet, unterschieden wird. In der Regel fehlt das Wissen um den Zusammenhang, geurteilt wird aber trotzdem. Und das passiert ÜBERALL.

  5. Da hast Du, Tom, große Gedanken ausgesprochen. Und ich bin über weite Strecken Deiner Meinung: In der Regel werden Vorurteile ohne gründliche Kenntnis des Kontextes räsoniert…
    Und doch bin ich, was Kunstkritik angeht, anderer Meinung als Du. Ich glaube, die Würdigung von Kunst ist eine ganz eigene Form von Kritik, gründlich anders als alle anderen Formen, die praktischerweise an Nicht-Kunstobjekten möglich sind. Diese Vermutung (ich kann sie weder stringend herleiten noch „beweisen“) resultiert daraus, daß ich intensiv glaube, daß Kunst über Emotio und nicht über Ratio „funktioniert“. Wenn mir, sobald ich den Schlußsatz aus Schostakowitschs 10. Sinfonie höre, die Tränen kommen, bin ich gewiß, es mit Kunst zu tun zu haben. Und doch fehlt mir alles Rüstzeug, diese Behauptung anhand von Metrik, Syntax oder Duktus zu beweisen.
    Aber was fasele ich da, Du scheinst ein Musenjünger zu sein, ich maße mir Aussagen ohne Kenntnis des Kontextes an …

  6. Ich unterscheide erstmal, ob es um Würdigung, Orientierung für den Konsumenten, Qualitätserhalt oder Kulturkritik geht. Kunstkritik kann informativ, verletzend, korrumpiert oder für den freischaffenden Künstler sogar ruinös sein. Vor allem ist sie meist zeit- und kulturabhängig und damit subjektiv, obwohl sie sich gern objektiv gibt. Viele der später Anerkannten hatten damit ihre Probleme.
    Ferner sind Emotion und Ratio beides Vorgänge, die sich im Gehirn abspielen, und damit auch wissenschaftlicher Analyse zugänglich. Interessant wäre z.B. die Frage nach der eigenen Manipulierbarkeit: Höre ich Musik um traurig zu werden oder vorhandene Traurigkeit abzurufen?
    Es gibt das Phänomen, daß man Kunst mag, ohne sie zu verstehen. Ich erlebe es auch, daß ich sie nicht mehr mag, nachdem ich mehr darüber weiß. Wichtig ist mir, daß der Kritiker oder sich äußernde Konsument seine Position offenlegt: seine rein emotionale oder ökonomisch bedingte, oder seine rationale – da muß er sich dann schon etwas mehr anstrengen.

  7. Kennt Ihr euch – mal ganz naiv & neugierig gefragt? Aber unabhängig von meiner Neugier: noch immer glaube ich, daß Kunst keine Attribute wie ‚gut‘ oder ’schlecht‘ benötigt. Kunst ist Kunst (zumindest in meinem Vorurteil); die Zusammensetzung „gute Kunst“ ist ein Pleonasmus 😉

  8. Nein, ich kenne seine mich begeisternden Arbeiten nur aus dem Internet.
    Unter Pleanasmus versteht man eine überflüssige Häufung sinngleicher oder -ähnlicher Ausdrücke (weißer Schimmel, kleiner Zwerg). „Gut“ und „Kunst“ sind weder sinngleich noch -ähnlich, da der Begriff „Kunst“ ebensowenig ein Werturteil enthält wie der Begriff „Musik“. Es gibt anspruchsvolle, naive, diletantische Kunst aber keinen schwarzen Schimmel. „Gute Kunst“ ist einfach nur eine unscharfe, definitionsbedürftige, knappe Formulierung. Dagegen erscheint die Feststellung „Kunst ist Kunst“ als inhaltslos.

  9. Tut mir leid, ich wollte Dich nicht mit Inhaltslosigkeit langweilen.

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